Maissa Lihedheb
— Film Director 


Maissa Lihedheb ist Filmemacherin und Mitgründerin der Bipoc Film Society. Das Kollektiv hat es sich zum Ziel gemacht, den Zugang zur Filmszene für marginalisierte Gruppen zu erleichtern. Ihr letzter Kurzfilm Hundefreund, in dem es um Liebe und Race geht, wird Premiere beim Flare Film Festival des British Film Institute im März 2022 feiern.

Maissa, Auf deiner Homepage sagst du, dass du schon immer Filme machen wolltest, weil du dich in den Medien nicht repräsentiert fühlst. Kannst du es genauer erklären?
    Mein Problem mit den deutschen Medien ist vor allem, dass eher Wert daraufgelegt wird, was vor der Kamera präsentiert wird. Wer eigentlich hinter der Produktion steckt und die Drehbücher schreibt, bleibt unwichtig. Ich finde, dass man das bei der Umsetzung auch merkt. Vor allem, wenn man sich die Charaktere anguckt, wie zum Beispiel bei der Netflix-Serie Kitz. Die Serie wurde dafür gelobt, dass sie divers sei. Sie wurde als Beispiel für die Auseinandersetzung mit Diversität in Deutschland genannt. Aber sie wurde ausschließlich von weißen Autor*innen geschrieben. Sich da wegen Diversität loben zu lassen, hat mich ein bisschen schockiert.
    Es ist auch mit den Filmen oder Serien, mit denen wir aufgewachsen sind, so. Wenn wir uns in irgendeiner Art repräsentiert gefühlt haben, weil jemand so aussah wie wir, waren das meistens eher eindimensionale Charaktere. Und vor allem auch Charaktere, die entweder in der Mafia, Mörder und Kriminelle oder auch unterdrückte muslimische Frauen waren.
    Bis heute kann ich nur an ein Beispiel in Deutschland denken: Die Serie Druck. Da habe ich das Gefühl, dass dort Autor*innen of Color mitschreiben. Und deswegen sieht man auch, dass dort die Charaktere of Color auch mehrdimensional repräsentiert worden sind. Und ich glaube wirklich, dass das alles auch mit der Frage zusammenhängt, wer in dieser Industrie ist.
    Ich finde deswegen, dass Deutschland noch nicht an dem Punkt ist, wo es sich mit Diversität loben kann. Ich weiß nicht, ob du ein gutes deutsches Beispiel dafür kennst. Ich kenne nämlich gar keins und das ist extrem schade. Deutschland hat so viele Menschen mit Migrationsgeschichte, aber scheint das einfach nicht zu repräsentieren.
    Ich habe gestern auf YouTube ein Interview von dir entdeckt und da hast du genau dieses Thema angesprochen. Da wurde zwischendurch immer die Serie 4 Blocks eingeblendet, die in Deutschland sehr erfolgreich war. Ich fand die Serie auch sehr gut, aber da hat man wieder gesehen, dass People of Color eher kriminalisiert dargestellt werden.
    Ich fand die Serie auch cool. Ich hätte mit 4 Blocks auch gar kein Problem, wenn wir mehr als das hätten. Wenn wir aber nur das als Repräsentation haben und sich muslimische Menschen nur damit repräsentiert fühlen, ist es schon krass und auch gefährlich. Damals, als ich meine Bachelorarbeit geschrieben habe, bin ich in meiner Recherche auf folgendes gestoßen: Wenn du dich als Jugendliche*r immer wieder in diesen Stereotypen siehst, denkst du, das ist genau das, was die Gesellschaft von dir erwartet. Irgendwann denkt man also: Okay, die Leute, die so aussehen wie ich, sind kriminell. Also muss ich auch so sein. So passen wir uns an irgendwelche Rollen an, weil wir alle irgendwie nach einer Art Verbindung suchen, vor allem mit dem Fernsehen. Und, wenn man dann eben nichts anderes sieht, ist es halt die einzige Identität.
    Ich finde das aber auch für die weißen Zuschauer*innen gefährlich, weil sie uns gar nicht in einem anderen Licht sehen. Und wenn sie uns im echten Leben nicht begegnen, nehmen sie das auf, was sie im Fernsehen sehen. Als Beispiel dafür, was wir sind.

Kannst du mir etwas zur Gründung BIPOC Film Society erzählen? Wie kamst du auf die Idee?
    Es gab eine Bar in Neukölln, die ein freies Kino im Hinterzimmer hatte und nach Leuten gesucht hat, die ihre Filme zeigen wollen. Eine Freundin hat mich damals empfohlen. Meine Reihe hieß Classic Minority Presents, was jetzt mein Instagramname ist. Es hat dann erst mal nur mit Filmreihen angefangen, die nicht so im Mainstream präsent waren. Vor allem Filme aus muslimischen oder anderen Ländern, die nicht westlich sind. Und ich habe dann versucht, Leute einzuladen, die die Filme gemacht haben oder die sich mit dem Film oder dem Thema auseinandergesetzt haben. Es gab dann immer eine Art Interview oder Q&A nach dem Film. Mir war es wichtig, dass das Ganze kostenlos zugänglich war. Weil es vor allem für Menschen gedacht war, die rassifiziert werden oder der lower class angehören, aber sich das vielleicht nicht oft leisten können.
    Damals habe ich dann einen Freund kennengelernt und ihn gefragt, ob er Lust hat, mit mir ein Kollektiv zu gründen. Und so haben wir dann Bipoc Film Society gegründet. Unser Ziel mit dem Kollektiv war vor allem einen Raum für Leute, die nicht Film studiert haben und gerne Filme machen wollen, aber den Zugang dazu nicht haben, zu schaffen. Es sollte also eine Art Netzwerk von People of Color in Berlin werden, die sich in ihrer Arbeit unterstützen und gemeinsam Filme machen. Dass wir uns dabei auch gegenseitig Sachen beibringen, war eins der Hauptziele. Und diesen Weg allein zu gehen ist schwieriger als im Kollektiv. Im Endeffekt sind wir allein und wir können uns nicht darauf verlassen, dass weiße Institutionen uns helfen, nach oben zu kommen und deswegen bringen wir uns gegenseitig nach oben.

Du warst mit der BIPOC Film Society in Line-up der BERLIN, BERLIN Woche von HIGHSNOBIETY? Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit und welche Eindrücke sind dir davon noch in Erinnerung geblieben?
    Ich habe mal ein Praktikum bei Highsnobiety gemacht. Sie veranstalten damals das Berlin, Berlin, wo sie auf Berliner Kollektive, Businesses oder Events aufmerksam machen wollten und haben uns dann für eine Podiumsdiskussion und ein Interview angefragt.

Ein Film, der dich (deine Karrierewahl) geprägt hat?
    Ja (lacht), klingt etwas blöd, weil ich vorhin Mafiafilme so schlecht geredet habe, aber Goodfellas von Martin Scorsese. Ich weiß auch nicht, warum ich den Film so liebe, aber ich liebe ihn einfach. Ich war 16 als ich ihn zum ersten Mal sah und dachte mir nur: Oh, mein Gott, ich will genau so etwas machen! Ich will dieses Gefühl und die Unterhaltung dabei kreieren. Ich hatte damals so einen Kloß im Hals. Ich weiß nicht, was genau der Grund dafür ist, dass es ausgerechnet dieser Film ist. Aber ich weiß, dass dieser Film mich am meisten beeinflusst hat. Heutzutage ist mir klar, dass mir der Film gefiel, weil Scorsese ein Gefühl vermittelt hat, welches wir alle aus Großfamilien kennen. Für mich stand nicht das Mafianarrativ im Hauptfokus, sondern die Familiendynamik, die lauten Straßen, die Gespräche beim Essen, wo alle einfach laut durcheinanderreden, wo Kinder weinen, Musik im Hintergrund läuft und zusammen gekocht wird. Martin Scorsese, welcher selbst Sohn einer italienisch immigrierten Familie ist, sagte mal, dass er in seinen Filmen gerne Dynamiken und „energies“ aus seiner Familie nimmt und in ein neues Narrativ setzt. Deswegen bleiben seine Filme auch immer authentisch. Und nur Kinder aus Migrationsfamilien können das fühlen. 
    Ich weiß aber, dass ich schon immer Geschichten erzählen wollte. Ich habe sehr früh angefangen, Kurzgeschichten zu schreiben. Am Anfang waren es eher Horror- und Gruselgeschichten. Und ich glaube, für mich war das eine Art, aus dieser Realität abzutauchen und eine neue Realität zu schaffen. Und ich habe dabei immer an weiße Charaktere gedacht. Meine Hauptcharaktere hießen immer Lisa oder Anna. Erst vor ungefähr fünf Jahren ist mir das aufgefallen. Warum habe ich mich nur auf weiße Charaktere fokussiert? Ich dachte immer, diese Charaktere, diese Menschen sind es wert Geschichten zu haben und wir nicht. Ich kam nie auf den Gedanken eine Geschichte mit jemandem zu schreiben, der*die einen muslimischen Namen hat. Wir haben immer automatisch weiße Menschen in den Vordergrund gestellt, auch in den Vordergrund von unseren eigenen Geschichten. Das fand ich halt krass. Weil wir eben immer nur Hannah Montana oder Zoey 101 gesehen haben.

Welche Art von Filmen machst du am liebsten und warum?
    Ich glaube, was ich am liebsten mag, sind narrative Filme. Ich habe bisher vier Kurzfilme gemacht, die narrativ waren. Mein letzter Film war Hundefreund, wo es auch um Race und Liebe geht.
    Für mich ist es vor allem wichtig, narrative Geschichten mit dem Fokus auf Identität zu erzählen. Auch in der Zukunft werde ich bei solchen Themen bleiben. Wie z.B. dabei, was es heißt, eine muslimische Frau in der westlichen Welt zu sein. Wie werden wir gesehen? Wie sehen wir uns selbst? Und wissen wir überhaupt noch, wer wir sind, wenn so viele Stereotypen auf uns gelegt werden? Entweder sind es die Erwartungen von unseren Eltern oder eben von der Gesellschaft.
    Aber mein ultimativer Traum ist es, Geschichten zu erzählen, die nichts mit Themen Identität und Race zu tun haben. Oft wird von uns auch erwartet, dass wir traurige Geschichten erzählen oder davon, wie ein*e Person of Colour struggelt. Das liebt die westliche Welt. Aber ich würde gerne einfach mal eine Liebesgeschichte erzählen. Die Charaktere müssen dabei auf jeden Fall of Color sein. Sie treffen sich irgendwo in Italien oder in Tunesien und verlieben sich. Es soll einfach ein Film sein, wo nicht die ganze Zeit etwas passiert. Du schaust den Film und hast das Gefühl, dass du im Urlaub bist. Solche Filme würde ich gerne auch machen.
    Wir leben auch ordinäre Leben, die wir auch zeigen können. So etwas wie Before Sunrise. Langweilige Filme zu machen, dürften wir uns auch leisten können. Ich würde auch gerne Filme machen wie Oh Boy, aber dürfen wir nicht oder wir kriegen den Zugang dafür nicht. Wenn du dich bei Förderungen mit solchen Filmen bewirbst, fragen sie dich dann: Willst du nicht lieber etwas über deine Unterdrückung erzählen?.
    Erst dann, wenn wir auch langweilige Geschichten erzählen dürften, weiß ich, dass sich Deutschland zum Thema Diversität wirklich geändert hat. 


Haben deine Arbeiten auch autobiografische Züge?
    Das, was ich bisher gemacht habe, ist überhaupt nicht autobiografisch. Aber es fließt immer ein Teil von mir mit rein. In den Film Hundefreund, den wir gemacht haben, geht es zum Beispiel um die Beziehung zwei queerer Männer: Einen afrodeutschen und einen ostdeutschen weißen Mann. Sie haben ein Date zusammen sie merken an dem Abend wie Rassismus doch eine Rolle spielt, auch in geschlossenen Räumen.
    Man kann also Rassismus, auch wenn er unterschwellig ist, gar nicht entkommen. Obwohl es zwei Menschen sind, die aneinander interessiert sind und man davon ausgehen würde, dass ein Schlafzimmer ein Safe Space ist. Und damit kann ich mich voll identifizieren. Race und Rassismus können wir nie ausblenden. Egal, in welchen Raum wir uns befinden. Ob es im Date oder auf einer Party ist. Es spielt immer im Hintergrund irgendwie eine Rolle. Es kann in Sekunden den ganzen Mood verändern, wenn Race zum Thema wird.
    Das führt zu dem Gefühl, dass wir selten Räume haben, wo wir uns komplett frei fühlen oder glücklich fühlen können. Vor allem wenn es Räume sind, wo auch weiße Menschen dabei sind. Ich bin zwar kein queerer Mann und auch nicht schwarz, aber damit konnte ich mich sehr identifizieren.



Auf welche Herausforderungen triffst du als BIPoC Filmemacher*in in der Branche?
    Musstest du Barrieren überwinden, um dorthin zu gelangen, wo du heute bist?
    Es fing schon früh damit an, dass ich immer dachte, Leute wie ich können keinen Film studieren. Ich habe es noch nicht einmal versucht. Man wächst mit dem Wissen auf, dass es ein unrealistischer Traum ist. Ich sehe Menschen wie mich einfach nicht. Ich hatte keine Beispiele in der deutschen Filmindustrie von Regisseur*innen, die People of Color sind, außer Fatih Akin. Aber auch er war ein Mann und das war auch das einzige Beispiel, was ich kannte.
    Also fing es schon damit an, dass ich meinen eigenen Traum angezweifelt habe. Ich habe deswegen erstmal was anderes studiert, was trotzdem irgendwas mit Medien zu tun hatte. Und damit sind schon ein paar Jahre draufgegangen, finde ich. Später wurde ich dann von einem Freund motiviert, mich an mehreren Filmschulen zu bewerben. Eigentlich sah ich mich gar nicht darin, aber versuchte es trotzdem. Wurde dann auch zur zweiten Runde eingeladen. Und das hätte ich nie gedacht.
    Die einzigen Menschen of Colour, die dort waren, waren Leute aus dem Ausland. Also keine Leute mit einem Hintergrund in ihrem eigenen Land, die auch Geschichten erzählen müssen und sollten, sondern Leute aus Ländern wie Brasilien etc. Ich habe das Gefühl, Deutschland denkt immer, wenn es Leute aus dem Ausland einstellt, hat es nichts damit zu tun, wenn diese Regisseur*innen dann über Rassismus reden. Denn es geht dann nicht um Rassismus in diesem Land, sondern allgemein. Ich habe in Berlin oft das Gefühl, dass People of Color aus anderen Ländern eher die Jobs bekommen, während wir sie nicht bekommen. Sie haben einfach Angst, dass wir über das Thema Rassismus reden und sie sich dafür verantwortlich fühlen. Wenn es aber eine Person aus London macht, dann ist es nicht deren Verantwortung, sondern ein Problem in England.
    An einer Filmschule wurde ich dann nicht angenommen. Mir wurde gesagt, dass ich sehr vorwurfsvoll und aggressiv klinge.  Wir sollten über ein beliebiges Thema schreiben und ich schrieb über Repräsentation. Es ging um weiße Institutionen, allgemeine Filmschulen und was der Grund ist, warum es wohl so wenige Menschen of Color in Führungspositionen in der Filmbranche gibt. Ich musste dann anfangen zu lachen, weil das genau die weiße Fragilität war, worüber ich geschrieben habe. Daraufhin meinte der Professor: Du brauchst auch gar nicht lachen. Den Film, den du gestern gedreht hast, war der schlechteste den ich je gesehen habe.
    An einer anderen Filmschule sollten wir eine Regieübung machen und haben dafür zwei Schauspieler zur Verfügung gestellt bekommen. Ich habe damals das Drehbuch von Hundefreund für die Übung genommen. Alle Schauspieler, die mir zur Verfügung gestellt worden sind, waren weiß. Obwohl ich eine afrodeutsche und eine weiße Rolle hatte. Die beiden Schauspieler konnten also das Ganze gar nicht inszenieren. Weil sie auch gar nicht wissen, wie es ist, unterdrückt zu sein. Mir wurde am Ende gesagt, dass die Umsetzung mit den Schauspielern etwas fad war. Ja, natürlich war sie das! Und seither habe ich es auch nicht mehr versucht.
    Während einer Weiterbildung vom Jobcenter wurde mir sogar mal Verherrlichung von Terrorismus vorgeworfen. Es ging um einen Film über eine palästinensische Frau, geschrieben von meiner palästinensischen Freundin Najwa Ahmed. Es ging um ihre Depression in einem fremden Land.  Am Ende sah man im Fernsehen einen bekannten palästinensischen Film, Divine Intervention von Elia Suleiman laufen. Und da fängt sie das erste Mal an zu lächeln. Sie lächelt zu dem Charakter im Fernsehen. Dieser Charakter sitzt mit einer Sonnenbrille im Auto, hört Musik und guckt einen anderen israelischen Autofahrer an. Die gucken sich die ganze Zeit in die Augen. Das war‘s. Inwiefern habe ich hier Terrorismus verherrlicht? Eine Woche später habe ich einen Brief bekommen, in dem es hieß, dass sie mit dem Film nichts zu tun haben wollen. Ich sollte die Uni im Kontext des Films nicht erwähnen. Ich habe am Ende trotzdem 90 von 100 Punkten bekommen, aber durfte den Film nicht zeigen. Ich glaube es ging einfach darum, dass es eine israelische Person war. Sie hatten ein schlechtes Gefühl, weil ich muslimisch bin und meine Autorin Palästinenserin. Es war dann schnell antisemitisch, was wir gemacht haben. Was natürlich nicht so war. Es sind halt immer solche Sachen, weswegen ich mir denke:  Wieso mache ich das überhaupt?
    Ich habe mich jetzt an einer Filmschule in Amerika beworben und wurde auch zur zweiten und letzten Runde eingeladen. Ich habe das Gefühl, bis Deutschland wirklich da ist, wo wir es haben wollen, wo wir auch ein gleichberechtigter Teil dieses Landes sind, wird es noch 10 bis 15 Jahre dauern.

Hast du Lieblingsregisseur*innen, an denen du dich bei deinen Filmen orientierst?
    Die Frage fällt mir immer so schwer. Die erste Person, die mir einfällt, ist Martin Scorsese. Er hat mich zu krass geprägt. Er ist auch der erste Regisseur, dem ich begegnet bin, der über Immigrantengeschichten gesprochen hat. Seine Filme sind extrem authentisch und cineastisch zugleich und erinnern mich an Heimat. Dann gibt es noch Abbas Kiarostami. Er ist ein Meister darin, Depressionen und Tragödien meditativ zu machen. Ich liebe seine Mischung aus Dokumentation und Fiktion.
    Visuell bin ich ein großer Fan von Paolo Sorrentino. Seine Filme fühlen sich für mich immer wie eine Mischung aus den Kunstwerken von Michelangelo und Edward Hopper an. Ich glaube, ich habe alle seine Filme gesehen, genauso wie von dem Absurdity-Meister Yorgos Lamentos und Michael Haneke. Beide Regisseure kann man sich nicht jeden Tag geben, aber sind für mich, was Narration angeht, Genies. Zu guter Letzt, mein tunesisches Vorbild Kaouther Ben Hania. Sie setzt mit politische Themen so Klever um, dass sie gar nicht penetrant oder überdramatisch wirkt wie beispielsweise bei The Man Who Sold his Skin.
    Aber meine Lieblingsregisseur*innen ändern sich auch fast alle drei Wochen (lacht).

Was denkst du, wieviele Filme du in deinem Leben schon gesehen hast?
    Oh mein Gott, ich glaube geschätzt 500. Also, wenn man die Pro7-Abende am Sonntag mitzählt in der Kindheit (lacht). Eine Zeitlang habe ich versucht jeden Tag einen Film zu gucken. Mittlerweile klappt das nicht mehr so konsequent. Jetzt ist es meistens so, dass ich jedes Wochenende mindestens einen Film schaue.
    Die meisten Abende verbringe ich in letzter Zeit mit Serien. Ich habe das Gefühl, dass ich fast alle Serien schon geguckt habe. Ich versuche aber für 2022 mehr Zeit in Filme zu investieren, statt ins Fernsehen. Letztes Wochenende habe ich zum Beispiel 4 Filme geschafft.


Welche Serie schaust du gerade?
    Yellow Jackets.


Was wünschst du dir genau für die Zukunft der deutschen Medienwelt?
    Was ich mir wünsche ist, dass die Möglichkeit für eine Filmförderung einfacher zu bekommen ist. Und nicht nur für Menschen mit einem Uniabschluss. Meistens können sich nur solche Leute für bestimmte Förderungen bewerben. Ich finde, wir sollten mehr darauf achten, welche Geschichten gut sind. Amerika und auch Frankreich machen das so. Deswegen haben diese Länder auch gute Filme. Da werden auch Geschichten von Menschen gefördert, die eben nicht professionell Film studiert haben. Ich finde das so wichtig, weil ich weiß, wie schwierig es ist in Filmschulen reinzukommen. Es kommt immer eine bestimmte Art von Menschen rein: Weiß, männlich oder mit Kontakten. Um Film zu studieren, brauchst du auch einen finanziellen Schutz, weil du nicht nebenbei arbeiten kannst. Da fängt es schon an.
    Und ich würde Filmschulen zugänglicher machen. Es können pro Jahr nur acht Leute angenommen werden. Das finde ich super elitär.
    Es sollten vor allem neuen Künstler*innen eine Chance gegeben werden und nicht nur denjenigen, die schon mehrere Jahre Erfahrungen haben. UFA macht gerade etwas ähnliches. Sie haben ein Programm, wo sie Autor*innen mit viel Erfahrung und dann jemanden mit weniger Erfahrung, einstellen. So können sie voneinander lernen. Studiozentral versucht das auch gerade. Sie nehmen Autor*innen zu sich, die neu und jung sind und vielleicht keine Erfahrung haben. Sie setzen sich dann halt dazu und lernen von den Erfahrenen. Ich finde, so etwas muss es auf jeden Fall öfter geben.