Asmae Lmajfi
— Fashion Designer
Asmae Lmajfi (@asmaelmajfi) aus Essen studiert Textil- und Bekleidungsmanagement und ist eine der Gründer*innen von Harira-Gang (@harira_gang), einer Brand, die nordafrikanische Tradition und Streetwear miteinander vermischt. Harira ist eine traditionelle Suppe, die aus allen möglichen Zutaten besteht und für die es kein festes Rezept gibt. Was Streetwear damit zutun hat, lest ihr im Interview.
Erzähl uns deine Story. Wo bist du aufgewachsen? Woher kommt deine kreative Ader?
Ich bin in Deutschland aufgewachsen. Meine Eltern stammen ursprünglich aus Marokko. Daher kenne ich von zu Hause aus nur die arabische Kultur. Ich denke, dass mich diese zwei Kulturen, mit denen ich aufgewachsen bin, in meiner Persönlichkeit sehr geprägt haben. Ich bin sehr gebunden an meine ursprüngliche Kultur. Früher verbrachten wir als Familie viel Zeit in Marokko, so dass wir den Bezug zu der Heimat nie verloren haben.
Mein Bruder, mit dem ich die Brand gegründet habe, prägte mich sehr. Er war schon immer eine Inspiration für mich. Als Kind sah ich zu ihm auf und dachte mir, ich möchte auch so cool sein wie mein älterer Bruder. Er beeinflusste mich in allen möglichen Bereichen wie Fashion oder Musik. Er besaß schon immer ein Gefühl für Ästhetik. Dieses habe ich vor allem von ihm gelernt. Ich bediente mich oft an seinem Kleiderschrank und zog seine Klamotten an. Ich kann sagen, dass ich meinen Kleidungsstil von ihm kopiert habe. Ich trage bis heute viele unisex Teile.
Mein Vater war ebenfalls ein großer Einfluss auf mein Kleidungsstil. Er war schon immer ein stilvoller Mensch, der Wert auf sein Aussehen legte. Bis heute habe ich einige Jacken oder Sportanzüge von ihm, die ich jetzt trage. Die alten Fotos von ihm inspirierten mich sehr. Ich denke, dass seine Generation schon immer einen unbewussten Sinn für Kreativität besaß.
Wie hat dein älterer Bruder darauf reagiert, dass du seine Klamotten angezogen hast?
Ich kann mir vorstellen, dass er stolz darauf war. Er war nie genervt davon und teilte gerne seinen Kleiderschrank mit mir. Ich kann mich daran erinnern, wie ich mal ein Shirt und eine Jacke von ihm anhatte. Er sah mich an und sagte mir, dass ich aussehe wie er und schien gar nicht genervt davon zu sein. Mein älterer Bruder war schon immer die großzügigste Person in der Familie. Er teilt immer noch gerne seine Sachen mit uns.
Wie sieht dein Leben aktuell aus?
Ich studiere zurzeit Textil- und Bekleidungsmanagement. Es geht zwar dabei auch um Mode, aber es ist vielmehr ein technisches Studium. Die Inhalte, die ich dabei lerne, sind sehr hilfreich für meine eigene Brand.
Wie würdest du den Stil von Harira Gang beschreiben?
Eher sportlich und lässig. Wir sind in Bezug auf den Stil der Brand von der nordafrikanischen Tradition sehr geprägt. Auch in der Zukunft soll es in diese Richtung gehen. Ich denke, dass man uns auch sehr gut als marokkanische Streetwear bezeichnen kann, die man vor allem in Frankreich vorfindet. Als ehemalige Kolonialherrschaft ist Frankreich sehr viel von der nordafrikanischen Kultur beeinflusst. Ich bemerke dort zwei gegensätzliche Stilrichtungen: Auf der einen Seite triffst du auf sehr schicke Menschen. Auf der anderen Seite siehst du viele Jugendliche, die mit den verschiedensten Tracksuits rumlaufen.
Dieser Stil ist uns vor allem aus der marokkanischen Heimat vertraut. Dort denken die Menschen eher praktisch und ziehen im Grunde genommen deswegen einen Tracksuit an. Wir sind in der Hinsicht auch sehr bequem.
Wofür steht der Name Harira Gang?
Es steht vor allem für Chaos. Harira ist eine traditionelle Suppe, die in ganz Nordafrika bekannt ist. Die Zutaten bestehen aus allen möglichen Sachen. Im Grunde genommen kommt da wirklich alles rein. Am Ende hat man eine sehr leckere Suppe als Ergebnis. Das Besondere an Harira ist, dass es nicht wirklich ein bestimmtes Rezept dafür gibt. Jede Region hat seine eigene geschmackliche Note.
Auf den Namen der Brand sind wir sehr spät gestoßen. Das ganze Konzept stand schon fest, nur ein Titel hat dafür gefehlt. Anfangs scherzten wir mit dem Begriff Harira bis wir merkten, dass die Bezeichnung auch sehr gut zu uns als Personen passt. Denn Harira wird auch als ein Synonym für Chaos verwendet. Auch wir besitzen Einflüsse von überall und von nirgends. Am Ende des Tages macht uns das einzigartig. Durch unsere Brand wollten wir auch vor allem unsere kulturellen Hintergründe widerspiegeln. Dabei beziehen wir uns nicht nur auf Marokko, sondern auf den gesamten nordafrikanischen Bereich. Wir wollen außerdem mit Harira Gang eine Community bilden und die nordafrikanischen Kulturen zusammenschweißen. Da gibt es leider immer noch politische Konflikte zwischen den einzelnen Ländern. Für die Zukunft planen wir also Projekte, die dieses Ziel anstreben.
Wie gründet man ein Modelabel?
Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich in meinem Zimmer saß und mir dachte, wo fang ich denn jetzt an? Du lernst leider nirgends, wie du ein Unternehmen gründest. Daher war es umso schwieriger anzufangen, da wir wirklich alles allein gemacht haben. In Deutschland spielt bei der Unternehmensgründung die Bürokratie eine große Rolle. Das heißt, dass wir zunächst alle Anträge gestellt haben, die wir brauchten. Dafür mussten wir viel im Internet recherchieren und einige Anrufe machen. Vor allem bin ich an dieser Aufgabe gewachsen, weil ich Telefongespräche nicht gerne führte.
Das Schwierigste war dann die für uns geeignete Produktionsstätte ausfindig zu machen. Wo kriegst du denn sowas her? Die Pandemie erschwerte die Suche, da wir nicht reisen konnten. Wem vertraust du denn so sehr, dass du solch eine Produktion nur per Mail kommunizierst? Eine Freundin erzählte mir dann zufällig von ihrem Bekannten aus der Türkei, der in der Textilwirtschaft tätig ist und zwischen Kunden und Produzenten vermittelt. Die Zusammenarbeit mit ihm funktioniert bis heute einwandfrei. Bezüglich der Website und des Designs haben mir viele Freund*innen geholfen. Wir hatten von Anfang an ein gutes Netzwerk, weswegen ich sehr froh bin. Dennoch habe ich die Erfahrung gemacht, dass man am Ende auf sich allein gestellt ist. Wenn man selbst nicht 100% bei einer solchen Arbeit gibt, macht das niemand für dich. Doch egal, wie stressig die Arbeit auch ist, ich weiß, wofür ich es mache und dass sich die harte Arbeit auszahlt.
Die sozialen Medien haben uns beim weiteren Aufbau eines Netzwerkes sehr geholfen. So hatten wir die Möglichkeit mit unserer Brand viele Menschen zu erreichen, die uns auch gepusht haben. Das war für mich ein Beweis dafür, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden.
Was ist dein Lieblingsstück aus eurer Kollektion?
Der Hoodie aus unserer jetzigen Kollektion gefällt mir am meisten, weil dahinter eine Geschichte steckt. Wir veröffentlichten zunächst T-Shirts, die sehr gut bei den Menschen ankamen. Als nächsten Schritt versuchten wir ein eigenes Design zu entwerfen. Wir ließen uns von den Sommertagen, die wir in Marokko erlebten, inspirieren. Vor allem von den Sonnenuntergängen und Stränden dort. Es war wie als wären wir auf einem anderen Universum. Es fühlte sich oft surreal an.
So kamen wir auf das Design, das auf dem Hoodie zu sehen ist. Die Zeichnung stammt von mir. Sie ist vor allem geprägt von den Farben der Sonnenuntergänge und den Emotionen, die wir an diesen Sommertagen spürten. Wir entwarfen quasi unseren eigenen Planeten. Der Hoodie stellt für uns also die Verbindung zur Heimat dar. Da wir aufgrund der Pandemieumstände für einige Jahre schon nicht nach Marokko reisen konnten, war das für uns wie eine Art Hommage auf die erlebten Sommertage.
Wie geht ihr bei der Gestaltung einer Kollektion vor?
Für die Gestaltung einer Kollektion hole ich mir grundsätzlich Inspirationen aus Fotos, Instagram etc. und erstelle Moodboards. Mit der Veröffentlichung der ersten T-Shirts sammelten wir auch wichtige Erfahrungen für die Zukunft. Wir lassen uns größtenteils von unseren Sommerurlauben inspirieren. Den letzten Sommer verbrachten mein Bruder und ich beispielsweise in Marseille. Wir hätten es nicht gedacht, aber hier spürten wir tatsächlich die Stimmung aus der Heimat. Der nordafrikanische Einfluss war hier überall zu finden. Die Menschen, die wir dort getroffen haben, inspirierten uns sehr. Wir lernten zwei sympathische Jungs kennen, die uns die Stadt und den Strand zeigten. Da hatten wir die Idee, dass wir mit den einheimischen Jugendlichen dort ein Shooting mit unseren Produkten machen können. Für mich hatten sie alle das Potenzial zum Modeln und passten perfekt zu unserem Modelabel. Später flog mein Bruder erneut nach Marseille, um sie tatsächlich zu shooten.
Wie sieht euer Produktionsvorgang aus und wie hoch ist eure Auflage pro Kleidungsstück?
Wir suchen uns als aller Erstes das passenden Stoffmaterial aus, da der Produzent lange Zeit dafür braucht, um den richtigen Stoff ausfindig zu machen. Manchmal schickt er uns dann Samples zu, die wir testen können. Und manchmal reicht auch eine kurze E-Mail von ihm mit den wichtigen Informationen zum Material aus. Er sucht für uns im Grunde genommen das passende Stoffmaterial und gibt uns Auskunft darüber.
Erst danach kümmern wir uns um die Gestaltung der Produkte. Die wichtigsten Dateien schicken wir unserem Produzenten in der Türkei zu und bestellen erst einmal einige Samples. Wir inspizieren sie auf ihre Qualität, indem wie sie eine Weile tragen oder in die Waschmaschine werfen. Danach schicken wir ihm unser Feedback zu und fangen dann auch schon mit der Produktion an.
Wie sieht eure Vision für Harira Gang in der Zukunft aus?
Mein Traum für die Brand ist im Ausland sesshaft zu werden. Das kann in Marokko oder auch in Frankreich sein. Ich denke, dass wir an diesen Orten viel besser an unsere Zielgruppe herankommen als in Deutschland.
Was hältst du von der aktuellen Modebranche?
Ich fand sie bis vor Kurzem sehr eintönig. Gerade für Hijabis war es sehr schwierig passende Kleidungsstücke zu finden, insbesondere Basicteile. Mittlerweile bemerke ich einen Wandel in der Branche. Da gibt es beispielsweise den Trend mit modest Kleidungsstücken. Ich denke, es ist heutzutage vielen egal, wer, was trägt. Die Gleichberechtigung in der Hinsicht ist vor allem uns zugutegekommen. Für mich ist die Authentizität eines Modelabels sehr wichtig und achte darauf sehr. Heutzutage sind viel mehr bedeckte weibliche Models zu sehen, was ich grundsätzlich sehr gut finde. Aber ich habe in der Hinsicht das Gefühl, dass dies nur gemacht wird, um daraus Profit zu schlagen. Und nicht weil man die Diversität der Menschen fördern möchte. Das macht misstrauisch und lässt leider an der Authentizität eines Brands zweifeln.
Hast du eine Lieblingsbrand?
Da sind zwei Streetwear-Brands aus Amsterdam, die ich sehr mag, wie beispielsweise Patta und Daily Paper. Nike ist eine weitere Brand, die ich liebe. Einige meiner Freund*innen haben ein eigenes Modelabel wie z.B. Hoodjab, die mir auch sehr gefallen.
Deine Werke wirken sehr kooperativ. Wie wichtig ist Dir die Zusammenarbeit mit anderen Künstler*innen?
Sehr wichtig! Ich denke, dass die gegenseitige Unterstützung in der Branche sehr viel Wert ist. Ich unterstütze meine Freund*innen mit ihren eigenen Labels, soweit es geht. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, wie gut es sich anfühlt, wenn jemand auch nur ein Bild von deiner Brand auf Instagram teilt. Für die Zukunft haben wir auf jeden Fall auch Collabs mit anderen Labels geplant.
Wenn Du den Menschen deiner Generation etwas sagen könnten, was wäre das?
Seid einfach ihr selbst. Verstellt euch für niemanden auf dieser Welt. Wenn ihr von etwas überzeugt seid, dann macht es einfach.